Emil by Dror Burstein

Emil by Dror Burstein

Autor:Dror Burstein
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Wallstein Verlag
veröffentlicht: 2013-05-14T16:00:00+00:00


Da war eine brennende Kerze. Jemand legte einen erloschenen Docht an, der sich erstaunlicherweise gleich entzündete. Trotz der Feuchtigkeit. Obwohl er schon schwarz war. Obwohl er schon sehr kurz war. Doch niemand schenkte dem Aufmerksamkeit. Niemand bemerkte es. Man klatschte, man sang ein Geburtstagslied. Jemand zog ein Akkordeon hervor, und die Kinder schrieben Glückwünsche mit den Buchstaben, die sie gerade gelernt hatten.

Einmal träumte Emil, er blicke auf eine Digitaluhr, die 5:17 Uhr zeigte, und dann sprang das Display direkt auf 5:19 Uhr, und wegen dieses Traums ging er den ganzen folgenden Tag niedergeschlagen und nervös umher. Er träumte auch, er wolle ein Hemd mit Knöpfen anprobieren, das sich als zu eng erwies. Auch träumte er, jemand führe ihn aus einer Londoner Wohnung hinaus in den Hinterhof, da standen der Buckingham-Palast und die Nationalgalerie, und Freude erfüllte ihn, obgleich ihm auffiel, dass in der Palastfassade Ausbesserungen des Mauerputzes wie Krampfadern durchschienen. Als er sich im Schlaf im Bett umdrehte, berührte seine Hand Emils Schulter. Der träumte, er sei auf einem Schulausflug nach Jerusalem, der von einem Armeeoffizier geleitet wurde. Mittendrin wollte Emil umkehren, war sicher, dass er sich allein von Jerusalem nach Tel Aviv durchschlagen könne, wenn man ihn nur gehen ließe. Im Autobus sah er die Mutter eines seiner Klassenkameraden, die er um Erlaubnis bat, allein heimfahren zu dürfen, und sie sagte ihm, Allein geht nicht, ich fahre sowieso zurück, setzen wir uns ab, ohne dass der Soldat es merkt, und während der Offizier in eine Zeitung vertieft war, stiegen sie leise durch die hintere Tür des Autobusses aus, und er dachte gerade noch, wie merkwürdig, dass sie ihn nach Hause bringt, ihren Sohn aber zurücklässt. Und er murmelte etwas im Schlaf, das Zimmer war dunkel, nur auf dem Flur flimmerte ein schwaches Licht, Joel vernahm das Gemurmel und zog im Schlaf die Decke an sich, und der sanierungsbedürftige Buckingham-Palast verwandelte sich in den Mailänder Dom, den er einmal mit Lea besichtigt hatte, ›noch bevor du auf der Welt warst‹, und jemand sagte ihm, Sehen Sie, was wir hinter der Kirche haben, und er sagte zu Lea, Ich bin gleich zurück, ich gehe mit dem Herrn da, und der Herr führte ihn an der Hand die hohe Wand der Kathedrale entlang und dann durch die Wand, die sich als hohl entpuppte, immer weniger Touristen waren zu sehen, es ging nur langsam voran und schien, als würde die erstrebte Ecke nie kommen, und Joel fragte ihn im Traum auf Italienisch, Wann ist die Wand zu Ende? Erst dann merkte er, dass sie in der Wand auf einer Art Wägelchen fuhren, und der Signor bog scharf nach rechts, und da war das zerrissene rote Klebeband, und jemand sagte ihm, man habe hier in Italien Löwenknochen gefunden, Was sagen Sie dazu. Im Schlaf hörte Emil den kurzen Aufschrei, den Joel beim Anblick des Löwen von sich gab. Und er selbst war eine mit grobem Salz bedeckte Marionette. Flog durch die Wolken. Am Morgen würde ihm Papa den Traum deuten: Das war wegen der Aufführung, die ihr vorige Woche in Jerusalem gesehen habt.



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